Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen - Verbraucherstreitbeilegungs- gesetz (VSBG) -, das zum 1. April 2016 in Kraft trat, erfolgten auch Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
So wurde § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB (Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung) mit Wirkung zum 26. Februar 2016 neu gefasst. Durch die Neufassung wird die Verjährung von Ansprüchen durch Einreichung eines Antrags bei jeder staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle gehemmt. Eine inhaltliche Abweichung zur bisherigen Rechtslage bezweckte der Gesetzgeber mit dieser Anpassung nicht.
Geändert wurde auch § 15 a III 2 EGZPO (Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung). Das erforderliche Einvernehmen eines Unternehmers zur außergerichtlichen Streitschlichtung wird unwiderleglich vermutet, wenn ein Verbraucher eine Verbraucherschlichtungsstelle, eine branchengebundene andere Gütestelle oder eine andere Gütestelle der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Innung angerufen hat.
Allerdings ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 25.05.2016, VI ZR 197/15) zur Frage des Rechtsmissbrauches zu beachten. Von einer rechtsmissbräuchlichen Anrufung einer Streitbeilegungsstelle durch einen Antragsteller ist auszugehen, wenn feststeht, dass sich der Antragsgegner nicht an einem Verfahren beteiligen wird, weil er dies im Vorfeld bereits eindeutig mitgeteilt hat. In diesem Fall führt der Streitbeilegungsantrag zu keiner Hemmung der Verjährung.
Für Unternehmen, die bisher in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Verbrauchern ein verpflichtendes Streitbeilegungsverfahren vorgesehen haben, ist die Ergänzung des § 309 BGB um die Ziffer 14 von entscheidender Bedeutung. § 309 BGB wurde um folgende Klausel erweitert:
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
Aufgrund des neuen § 309 Nr. 14 BGB werden Klauseln gegenüber Verbrauchern und Arbeitnehmern (AN = Verbraucher) für unzulässig erklärt, die vorsehen, dass der Verbraucher zunächst eine außergerichtliche Streitbeilegung, z.B. ein Mediations- oder Schlichtungsverfahren, durchzuführen hat, bevor er eine Klage bei Gericht einreichen kann. Durch die gesetzliche Neuregelung soll verhindert werden, dass Verbraucher durch Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen davon abgehalten werden, direkt den Gerichtsweg zu beschreiten. Den Verbrauchern darf der Weg zum „gesetzlichen“ Richter durch vorformulierte Klauseln nicht erschwert werden.
Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich für Unternehmer, die ein grundsätzliches Interesse an einer dem gerichtlichen Verfahren vorgeschalteten außergerichtlichen Streitlösung mit Verbrauchern und Arbeitnehmern haben?
Unter Beachtung der Neuregelung in § 309 Nr. 14 bieten sich folgende vertragliche Regelungen an:
Zulässig ist, dass Unternehmer im Rahmen ihrer Verträge und Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Absicht erklären, Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten möglichst einvernehmlich und außergerichtlich zu klären.
Eine Absichtserklärung ist eine Erklärung eines oder mehrerer Vertragspartner, die keine unmittelbar rechtliche Verbindlichkeit begründet und somit zu keiner endgültigen Bindung der Parteien, insbesondere der Verbraucher, führt.
Sinn und Zweck einer entsprechenden Absichtserklärung ist, dass die Verbraucher auf die Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung hingewiesen werden. Ferner entspricht diese Absichtserklärung den bisher selten beachteten Vorgaben der Zivilprozessordnung (ZPO). Die ZPO normiert in § 253 Abs. 3 Ziffer 1 ZPO, dass jede Klageschrift „Angabe darüber enthalten soll, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen“.
Eine Absichtserklärung könnte wie folgt formuliert werden:*
Bei Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag werden die Parteien vor einer gerichtlichen Auseinandersetzungen prüfen, ob die Durchführung eines (Mediations-, Schlichtungs-)Verfahrens in Betracht kommt, um den Konflikt nach Möglichkeit einvernehmlich im Rahmen eines außergerichtlichen Verfahrens nach der Verfahrensordnung .... zu lösen. Die Vertragsparteien verzichten durch diese Absichtserklärung auf keine ihnen zustehenden Rechte.
Für Unternehmen, die an der Förderung außergerichtlicher Konfliktlösungsverfahren interessiert sind, könnte es sich anbieten, dass sie sich ihrerseits gegenüber ihren Vertragspartnern (Verbraucher / Arbeitnehmer) einseitig zur Durchführung eines Konfliktlösungsverfahrens binden. In diesem Fall erklärt das Unternehmen seine unwiderrufliche Bereitschaft im Falle von Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten an einem außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahrens teilzunehmen. Den Verbrauchern / Arbeitnehmern wird ein Wahlrecht dahingehend eingeräumt, dass sie das unwiderrufliche Angebot des Unternehmers zur Durchführung eines außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahrens annehmen oder den direkten Weg zu Gericht wählen.
Eine einseitige Verpflichtungserklärung könnte wie folgt formuliert werden:*
Wir erklären uns unwiderruflich und auf erstes Anfordern bereit, bei Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag an einem (Mediations-, Schlichtungs-)Verfahren nach der Verfahrensordnung ... teilzunehmen, um den Konflikt nach Möglichkeit einvernehmlich im Rahmen eines außergerichtlichen Verfahrens zu lösen. Sollte ein Klageverfahren schon anhängig sein, werden wir uns auf erstes Anfordern mit dem Ruhen des Verfahrens zwecks Durchführung eines außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens oder eines Verfahrens vor dem Güterichter einverstanden erklären. Im Übrigen verzichten die Vertragsparteien auf keine ihnen sonst zustehenden Rechte. Insbesondere das Recht des Vertragspartners, unmittelbar die Gerichte anzurufen, bleibt unberührt.
*Formulierungsvorschläge zur freien Verwendung; zur Einbindung in die individuelle Webseite bzw. in den individuellen Vertrag ist die Einholung von Rechtsrat angezeigt. Eine Haftung für eventuelle Fehler wird nicht übernommen.
Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind Klauseln zur außergerichtlichen Streitbeilegung (ADR-Klauseln) weiterhin wirksam.
Gem. § 310 Abs. 1 S.1 BGB findet § 309 BGB und folglich die neue Ziffer 14 keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden.
Der teilweise vertretenen Auffassung, dass ADR-Klauseln auch im B2B-Geschäft den Vertragspartner unangemessen benachteiligen und über § 310 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 307 BGB unwirksam sind, kann nicht gefolgt werden. Im B2B-Geschäft, insbesondere im internationalen Bereich, gehören ADR-Klauseln zum vertraglichen Standard und sind branchenüblich. Solange die vertraglichen ADR-Klauseln auf anerkannte und von den Parteien unabhängig entwickelte Verfahrensordnungen Bezug nehmen, ist eine unangemessene Benachteiligung eines Vertragspartners im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht ersichtlich. Kein Unternehmen wird sich – anders als vielleicht Verbraucher und Arbeitnehmer – durch ein vorgeschaltetes ADR-Verfahren davon abhalten lassen, ein gerichtliches Verfahren anzustrengen.